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Pressemitteilung 20.03.20

Bensheim. Selbstverständlich bewegten  in der aktuellen Situation die Menschen  grundlegendere Fragen als die Diskussion über das Verfahren zur Entwicklung des Bensheimer Marktplatzes. Dessen ungeachtet komme es gerade jetzt auf die richtigen Weichenstellungen an, um danach mit umso mehr Schwung und einem klaren Zielbild die Chancen zu nutzen, die sich auch unter zusätzlich erschwerten Bedingungen  für  das Bensheimer Zentrum bieten.

Mit dieser Erwartung an alle Beteiligten leitet das Bürgernetzwerk zur Zukunft der Innenstadt seine Reaktion auf die in dieser Zeitung veröffentlichten Presseerklärungen der „Bürger für Bensheim“ und der Initiatoren des Bürgerbegehrens zur Marktplatzgestaltung ein.

Die beiden Stellungnahmen legten die Absurdität des für die Unterschriftensammlung eingegangenen „Zweckbündnisses auf Zeit“ offen.  Die Initiative  verbinde eben nicht  ein gemeinsames Ziel. Vielmehr handele es sich um den Versuch, mit einem Riesenspagat „auf Teufel komm raus“ möglichst viele Unterschriften für total entgegengesetzte Positionen zu sammeln. Während den Bürgern für Bensheim ein zweigeschossiger Neubau vorschwebe, lehne das Gros der Befürworter eines vermeintlich ergebnisoffenen Ideenwettbewerbs  ein Gebäude auf dem östlichen Marktplatz kategorisch ab. Eine solche „Allianz der Gegensätze“  könne nicht der Königsweg sein, sondern führe geradewegs in die Sackgasse.  „Nachher sind wir so schlau wie vorher und führen die gleichen Diskussionen noch einmal“, weiß Dr. Hans-Peter Meister aus jahrzehntelanger Erfahrung  in der professionellen Durchführung von Bürgerbeteiligungsprozessen.

„Zwischen den  Extrempunkten „Mehrgeschossigkeit und gar kein  Gebäude“ galt es die größte Schnittmenge zu finden“, erläutert Karl-Heinz Schlitt das von  ihm maßgeblich moderierte Dialogverfahren  zur Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit an einem Lösungsvorschlag, in dem sich die meisten Bensheimer wiederfinden können.

Einigkeit herrsche darin, dass der Marktplatz und die Fußgängerzone insgesamt belebende Impulse brauchen, um angesichts eines sich wandelnden Konsum- und Freizeitverhaltens als Begegnungs-, Erlebnis- und Einkaufsort attraktiv und konkurrenzfähig zu bleiben.

Dafür seien Angebote erforderlich, welche die Frequenz erhöhen – und zwar ganzjährig, jeden Tag, unabhängig vom Wetter und auch außerhalb der Geschäftszeiten. Um dies zu erreichen, müssen viele Aspekte zusammenspielen, verweist Architekt Sanjin Maracic auf den unter seiner Federführung entwickelten Masterplan, der 18 Mosaiksteine für ein ganzheitliches Nutzungs-  und Gestaltungskonzept für die Innenstadt zusammenfügt.

„Wir müssen weg vom Klein-Klein“, appelliert auch Harald Heußer.  Der in Bensheim lebende Architekt und Leiter des Heidelberger Hochbauamts kann auf vielfältige Erfahrungen bei der Auslobung städtebaulicher Wettbewerbe verweisen. Den im Dialog mit den Bürgern entwickelten Ansatz eines integrierten Realisierungs- und Ideenwettbewerbs mit einer klaren Nutzungsvorstellung hält Heußer für die einzig zielführende Vorgehensweise. Die verbindende Klammer, so das Bürgernetzwerk, ist die Bewahrung des „Schorschblicks“, wie er sich nach dem Abriss des Hauses am Markt präsentiert.  Diese breite Konsenslinie dürfe nicht – aus unterschiedlichsten Motiven – schlechtgeredet,  ohne eine breit mitgetragene Alternative verlassen und schon gar nicht für parteitaktische Erwägungen instrumentalisiert werden.

„Irgendwann müsste auch nach einem reinen Ideenwettbewerb eine Entscheidung getroffen werden. Und die kann nicht anders ausfallen als jetzt“, ist Heußer überzeugt:  „Die definierten Kriterien bieten größten Gestaltungsspielraum – weit über ein Haus am Markt 2.0 hinaus.“

In diesem Zusammenhang verweist das Bürgernetzwerk auf die Online-Umfrage, an der sich mehr als 500 Bensheimer im Alter von bis zu 30 Jahren beteiligt haben. Mehr als 90 Prozent lehnen eine mehrgeschossige Bebauung ab. Fast alle wollen sich am Blick auf die Kirche erfreuen. Eine Mehrheit plädiert für einen eingeschossigen Flachbau.

Den Vorwurf, beim Bürgerdialog sei eine „Nullbebauung“ unter den Tisch gekehrt worden,  weisen die Moderatoren zurück: Richtig sei, dass darüber im zweiten Dialogforum nicht mehr abgestimmt wurde. Aber nur deshalb, weil vorher eine überwiegende Mehrheit ein anderes Votum abgegeben habe: „Sonst hätten die guten Vorschläge dieser Gruppe zur Platzgestaltung nicht so stark Eingang in den Ideenteil gefunden.“

„Wir brauchen eine breite  Aufbruchstimmung und zügige Beschlüsse für die Innenstadt“, mahnt Thomas Mahr, geschäftsführender Gesellschafter der Winkler-Modegeschäfte in der oberen Fußgängerzone: „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“ Und seine Kollegin Tatjana Steinbrenner vom Kaufhaus Ganz sorgt sich: „Die Innenstadt überlebt das nicht, wenn alles immer  wieder in Zweifel gezogen wird und nichts passiert.“

Harry Hegenbarth, der mit seinen Festivals und bei der Durchführung großer Events viel zur Belebung der Innenstadt beiträgt, bekennt freimütig, seine Meinung geändert zu haben: „Am Anfang war ich auch gegen eine Bebauung.  Die Mitwirkung im Bürgerdialog hat mich umdenken lassen.“ Eddi Winkler, bis zu seinem Ruhestand Inhaber mehrerer Fachgeschäfte, bringt es so auf den Punkt: „Belebung zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter geht nicht ohne Dach über dem Kopf.“

Für Sanjin Maracic und seine Kolleginnen und Kollegen aus der Architektenrunde des Bürgernetzwerks steht außer Frage, dass dafür auch die vorhandenen Gebäude wertig genutzt werden müssen: „Aber nicht ‚anstatt‘, sondern zusätzlich.“ Zum Masterplan  gehörten unter anderem auch:  eine überzeugende Lösung für das Familienzentrum, die Aufwertung der Lauter, ein Beleuchtungskonzept, das seinen Namen verdient, die Sparkasse und andere Einrichtungen des täglichen Bedarfs wie ein Ärztehaus, die Entwicklung von Bürgerhaus, Parktheater und Hoffart-Gelände zu einem Kultur-, Bürger- und Kongresszentrum und schließlich die Durchschlagung des gordischen Knotens rund um das Neumarkt-Center. Nicht zu vergessen seien: ein professionelles Innenstadtmarketing, Ideen für die Beseitigung von Leerständen und weitere, abgestimmte Anstrengungen, um die Marke Bensheim mit Inhalten zu füllen, damit Anspruch und Wirklichkeit deckungsgleich sind, schreibt das Bürgernetzwerk abschließend.

 

Aktivitäten des Bürgernetzwerks Bergstraße wegen Corona-Krise vorerst eingestellt

Bensheim. Als einzig  angemessene  Reaktion auf die Corona-Krise verzichtet das Bürgernetzwerk Bensheim ab sofort auf sämtliche Aktivitäten, bei  denen Ansteckungsrisiken bestehen: Die für Mittwoch geplante Plenumsrunde zur Zukunft der Innenstadt wurde deshalb bereits am Freitag abgesagt. Der Neustart erfolgt zu einem jetzt noch nicht  absehbaren Zeitpunkt.
Beim Infozelt am Samstag in der Fußgängerzone wurde die personelle Präsenz auf ein Minimum reduziert. Die Erläuterung des Bürgerbeteiligungsverfahrens zur Vorbereitung eines städtebaulichen Realisierungs- und Ideenwettbewerbs für die Neugestaltung des Marktplatzes erfolgte vor allem über Großflächenplakate und Faltblätter, auf denen die definierten  Eckpunkte kompakt dokumentiert sind. Die Flyer liegen ab Mitte der Woche in vielen Geschäften zur Mitnahme und breit gestreuten Verteilung im persönlichen Umfeld aus.
Die Inhalte stehen auch auf der Homepage des Bürgernetzwerks: www.buergernetzwerk.de. Informationen gibt es zudem  auf der Facebook-Seite des Bürgernetzwerks und über  andere soziale Netzwerke.
Bei den bisherigen Rückmeldungen aus der Bürgerschaft wurde deutlich, dass weniger das Ergebnis des Dialogforums kritisiert wird als vielmehr eine von einem nicht geringen Teil der Bevölkerung so wahrgenommene mangelnde Transparenz bei der Auslobung und Umsetzung des geplanten städtebaulichen Wettbewerbs. Das Bürgernetzwerk will seinen Beitrag dazu leisten, dass Vertrauensdefizite gegenüber der Verwaltung und den politischen Entscheidern  gegenstandslos werden. Das ergibt sich aus dem Selbstverständnis in puncto gesellschaftlicher und politischer Teilhabe.
Dies setzt allerdings voraus, dass Entscheidungsfindungsprozesse in der notwendigen  Komplexität durchgeführt und anschließend bewertet werden. Basis dafür sind offene Mitwirkungsangebote für  interessierte Bürgerinnen und Bürger.  Beim Dialogforum zum Marktplatz der Zukunft war dies über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten – und in den Veranstaltungen zur Innenstadt  insgesamt ist dies seit eineinhalb Jahren –  der Fall.
Bis zum Beweis des Gegenteils ist das Bürgernetzwerk davon überzeugt, dass der Anspruch zivilgesellschaftlicher Partizipation von allen Beteiligten eingelöst wird und die Ergebnisse unverfälscht in den weiteren Geschäftsgang einfließen.


Titelfoto: © stock.adobe.com-Peer