Es ist gerade einmal fünf Monate her, seit der Lautertaler Gemeindevorstand seine Zustimmung zur Vermietung eines weitgehend ungenutzten Raums in der Lautertalhalle im Ortsteil Elmshausen an die Initiative „HeimatLeben 4.0“ gegeben hat. Mit dem vom Bundesinnenministerium geförderten Programm sollen Projekte erprobt werden, mit denen die Vorzüge des ländlichen Raums ins rechte Licht gerückt und die Rahmenbedingungen für das Leben auf dem Dorf verbessert werden können. Jetzt überzeugten sich die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker bei einem Lokaltermin davon, was aus den ambitionierten Plänen geworden ist: nämlich ein modern ausgestatteter Multifunktionsort, an dem Menschen zusammenkommen, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Angesprochen sind Kleinunternehmen, Freiberufler, Firmengründer und Berufspendler, aber auch Vereine und Institutionen, denen ein inspirierendes Umfeld und soziale Kontakte wichtig sind.
Coworking lautet der Begriff aus dem Englischen dafür, der Einzug in die deutsche Alltagssprache gehalten hat. Beschrieben wird damit eine Kultur der Zusammenarbeit, die in den großen Städten – nicht zuletzt in der Gründerszene – bereits etabliert, auf dem Land aber noch nicht weit verbreitet ist. Das wird sich ändern, sind Fachleute überzeugt. So gesehen, wird mit dem „Regionallabor“ in der Lautertalhalle ein Stück Zukunft simuliert. Der Name ist dabei Programm: Mit dem Projekt soll der Beweis angetreten werden, dass in der Praxis funktioniert, was in der Theorie auf der Hand liegt: dass nämlich nicht zuletzt die Digitalisierung unserer Arbeits- und Lebenswelt ganz neue Chancen für den ländlichen Raum als Wirtschafts- und Wohnort auch für junge Menschen mit urbanen Ansprüchen bietet.
Wer zumindest einen Teil seiner Arbeit mobil erledigen kann, fühlt sich dort nicht mehr weit weg vom Schuss, sondern schätzt womöglich gerade die Nähe zur Natur abseits städtischer Hektik. Vollständig ersetzen können virtuelle Begegnungen und Kontakte das persönliche Zusammentreffen aber nicht. Dies gilt für das für das Private ebenso wie fürs Berufliche. Es braucht also Anlauf- und Begegnungsstätten, in denen Arbeit, Austausch und Freizeit gemeinsam erlebt werden können. Das Regionallabor versteht sich als Prototyp dafür und hat Modellcharakter im doppelten Sinne: Mit vergleichsweise geringem finanziellem Aufwand wurde ein Leerstand in einen für vielfältige Nutzung eingerichteten Arbeits- und Begegnungsort verwandelt. Zur Ausstattung gehören Schreib- und Besprechungstische, Moderationstafeln, ein riesiger Monitor für Visualisierungen, Zugang zu schnellem Internet, eine 360-Grad-Rundumkamera für Online- und hybride Veranstaltungsformate, bequeme Loungemöbel und selbstverständlich auch weitere Wohlfühlfaktoren wie ein Kaffeeautomat und ein gut gefüllter Kühlschrank für Konferenzgetränke. Wer den Raum nutzt, findet alles vor, was er braucht. Rüstzeiten fallen nicht an.
Bürgermeister Andreas Heun und die Gemeindevorstände zeigten sich jedenfalls beeindruckt davon, wie aus dem gut 50 Quadratmeter großen Nebenraum der Mehrzweckhalle ein einladendes Schmuckkästchen geworden ist. Dass es bisher noch keine Veranstaltung für ein breites Publikum gegeben hat, ist den pandemiebedingten Einschränkungen geschuldet. Im zeitigen Sommer soll bei einem Tag der offenen Tür mit einem kleinen Regionalmarkt und Kinderprogramm nachgeholt werden, was bisher nicht möglich war.
Der eigentliche Betrieb ist bereits angelaufen, berichteten Karl-Heinz Schlitt und Ottmar Meissner für die Betreiber der Einrichtung. Bisher wurde das Regionallabor vor allem intern genutzt, um die vier Projekte des Open Government Labors Bergstraße-Odenwald voranzubringen. Hinter der sperrigen Bezeichnung verbirgt sich der Anspruch, gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Bürgergesellschaft, Politik und Verwaltung sowie mit Kunden und Nutznießern Konzepte zu entwickeln, die zu Bausteinen für eine Renaissance des ländlichen Raums werden können. Angestrebt wird die Bildung von Wertschöpfungsnetzwerken, etwa für die Vermarktung von regionalen Produkten, Dienstleistungen und Erlebnissen. Dies soll im Zusammenspiel einer digitalen Präsentationsplattform mit stationären “Marktplätzen“ geschehen: vom Hofladen, über die Manufaktur, Wochenmärkte und die Gastronomie bis zu „Regionalen Regalen“ im Handel vor Ort und im Umland. Auf Initiative des Bürgernetzwerk Projekts „HeimatLeben 4.0“ wurde diesbezüglich das StartUp Jahreszeiten regional erlebe – Regionales an der Bergstraße (jahreszeitenregionalerleben.de) als Marketing-Plattform für Regionales an der Bergstraße gegründet, welches sich zum Ziel gesetzt hat, die Menschen für Regionales zu begeistern. In diesem Zusammenhang wird vom StartUp „Jahreszeiten regional erleben“ das Regionallabor „HeimatLeben 4.0“ bereits für Gespräche mit potenziellen Partnern und interessierten Menschen nutzt. Weitere potenzielle Nutzer sind herzlich willkommen.
Ein anderes Projekt sucht Antworten auf die Frage, inwieweit Videosprechstunden einen ergänzenden Beitrag zur ambulanten medizinischen Versorgung leisten können. Nicht minder innovativ und ergebnisoffen ist eine Seminarreihe des Vereins WohnVision zu gemeinsamen, generationenübergreifenden Wohnformen, die im März geplant ist.
Bei der projektbezogenen Nutzung des Regionallabors soll es aber nicht bleiben. Angedacht sind beispielsweise eine Bürgersprechstunde des Rathauschefs und eine Sitzung eines Fachausschusses der Gemeindevertretung, die am heimischen PC-Monitor verfolgt werden können. Darüber hinaus sollen in Abstimmung mit der Gemeinde Vereine und Gewerbetreibende aus Lautertal zu Informationsabenden eingeladen werden, um zu erfahren, wie das Modellvorhaben noch enger an den Bedürfnissen seiner Zielgruppen ausgerichtet werden kann.
Mehr Infos und Kontaktformular unter: www.buergernetzwerk.de/heimatleben40